VOLLCHECKER

 

 

(Vier SchülerInnen Kris, Franzi, Michi und Steff,

Stifte und Formulare, zwei Schulbänke)

 

 

Kris (liest vor): „Wie zufrieden bist du mit deinem Lehrer?“ Ich check das nicht. Erklär mir das mal, Franzi. Du bist doch Klassensprecherin, du kennst dich da aus. Sollen wir da jetzt wirklich ganz offiziell unsere Lehrer bewerten oder was?

 

Steff: Ist doch ne geile Sache. Wollt ich schon immer mal.

 

Michi: Das ist jetzt so ein bisschen wie DSDS, Chris, und wir sind jetzt alle Dieter Bohlen. Nur, dass die Lehrer nicht vorsingen.

 

Steff: Dschungelshow wär aber noch besser, mit Kakerlaken für die Lehrer und so'n Zeug!

 

Kris: Krass! Können wir da jetzt wirklich Lehrer rauswählen?

 

Franzi: Schmarrn. Schau dir halt den Fragebogen mal an.

 

Steff: Schade eigentlich. Ich hätt am liebsten ALLE Lehrer rausgewählt!

 

Franzi: Wir sollen aber nur bewerten, ob die 16 Behauptungen stimmen oder nicht. Wenn etwas genau stimmt, kreuzt du halt den Einser an, wenn was überhaupt nicht passt, dann den Sechser, und ansonsten was dazwischen. Steht doch alles da.

 

Michi: Jetzt fangen wir einfach mal an.

(liest vor) „1. Ich freue mich, wenn der Lehrer zum Unterricht in die Klasse kommt.“

 

Kris: Hä? Ist jetzt erster April oder was?

 

Steff: Woll'n die uns mit dem Fragebogen verarschen oder wie?

 

Michi: Keine Ahnung. Steht jedenfalls so da.

 

Kris, Franzi und Steff (sagen nacheinander kopfschüttelnd): 6 / 6 / 6.

 

Kris: Hey, die nächste Frage ist ja schon wieder so bescheuert:

(liest vor) „2. Ich würde mir wünschen, dass mich dieser Lehrer im nächsten Jahr wieder unterrichtet.“

Ich will doch überhaupt nicht, dass mich wer unterrichtet! Kann man das auch irgendwo ankreuzen?

 

Franzi: Lass die Frage halt einfach aus und mach gleich mit der nächsten weiter.

(liest vor): „3. Der Lehrer putzt zu Beginn und am Ende der Stunde die Tafel“.

 

Steff: Das stimmt ja auch wieder nicht.

 

Michi: Wenigstens nicht immer. Wir Schüler sind ja so blöd und machen das manchmal noch selber. Also 5.

 

Franzi (liest vor): „4. Der Lehrer benutzt Farbkreide und sorgt immer für regelmäßigen Nachschub.“

 

Steff: Macht er auch nicht mehr, seitdem sich die Putzfrauen beschwert haben, dass die Farbkreide so schlecht von den Wänden weggeht. 6.

 

Kris (liest vor): „5. Wenn ich aus irgendwelchen Gründen unausgeschlafen bin, zeigt der Lehrer Verständnis und tröstet mich.“

Von wegen. Mich scheißt er jede Woche mindestens dreimal zusammen, wenn ich zu spät komme. 6 mit Stern!

 

Michi: Dabei spielt er bestimmt selber jeden zweiten Tag online die halbe Nacht „World of Warcraft“!

 

Steff: Echt? Voll cool!

 

Franzi: Quatsch.

(liest vor) „6. Wenn ich mal in der Schule fehle oder früher nach Hause gehe, versteht der Lehrer, dass ich auch mal Zeit für mich brauche und pocht nicht kleinlich auf eine schriftliche Entschuldigung oder informiert umgehend die Eltern.“

Hallo? Das wär ja noch schöner! 3.

 

Steff (liest vor): „7. Der Lehrer kann gut damit umgehen, dass ich angesichts der Belastung durch das G8 selten dazu komme, schriftliche oder mündliche Hausaufgaben zu erledigen.“

Hm, da könnte man eine 3 oder eine 4 geben, oder?

 

Kris: Ich bin mal großzügig und geb ihm da ausnahmsweise ne 2. Der hat's nämlich wirklich gecheckt, dass es eh keinen Sinn hat und gibt eigentlich sowieso schon überhaupt nichts mehr auf. Nächste Frage:

(liest vor) „8. Wenn ich etwas falsche mache, z.B. bei der Hausaufgabe, dann erklärt der Lehrer genau, wie man es richtig macht.“

Was soll die blöde Frage? Hausaufgabe ist doch eh nicht, haben wir doch schon gesagt.

 

Michi: Keine Ahnung. Es geht wahrscheinlich auch um andere Sachen im Unterricht. Da erklärt er eigentlich schon nochmal alles, wenn wer was nicht kapiert, oder?

 

Steff: Aber nicht immer. Heute erst hat er mich doch wieder angeschnauzt, ob er es mir jetzt noch 10 mal erklären soll oder ob ich ausnahmsweise nicht doch lieber selber mal mein Hirn einschalten will.

 

Franzi: Aber ganz ehrlich, Steff: Er hatte es aber wirklich schon x-mal erklärt und außer dir hatten das ja auch alle kapiert.

 

Steff: Egal. Von mir kriegt er da höchstens eine 5 minus.

 

Chris (liest zunehmend verständnislos vor) : „9. Der Lehrer gestaltet den Unterricht fächerübergreifend und projektorientiert, keinesfalls aber als Frontalunterricht.“

Hä? Was soll das denn heißen. Check ich nicht.

 

Steff: Ich auch nicht. Ich geb jetzt halt einfach mal ne 4.

 

Michi (liest vor): „10. Der Lehrer gibt den Schülern während der Stunden Freiraum zur individuellen Entfaltung und sorgt gleichzeitig für eine ungestörte Arbeitsatmosphäre.“

Hm.

 

Kris: „Entfaltung“ stimmt schon.

 

Franzi: „Ungestört“ eher weniger...

 

Steff: Und „ARBEITSatmosphäre“ erst recht nicht. Also 5.

 

Michi (liest vor) „11. Der Lehrer sieht es ein, wenn sich Schüler in wenig gelungenen Stunden eigenständig mit modernen Medien beschäftigen, Doppelpunkt: Mobiles Telefon, Mp3-Spieler, etEcera.“

 

Steff: Hast du überhaupt schon mal ne gute Stunde erlebt?

 

Kris, Franzi und Michi (zucken die Achseln, schütteln den Kopf und sagen nacheinander):

Hä? / Keine Ahnung. / Wann denn?

 

Steff: Na also.

 

Kris: Aber so wirklich EINSEHEN tut er es trotzdem nicht. Ich geb mal ne 5.

 

Steff (liest vor): „12. Wenn die ganze Klasse einmal nicht für einen angesagten oder nicht angesagten Test gelernt hat, gelingt es dem -“

 

Michi (belustigt): „Einmal“?

 

Kris: „Für einen NICHT angesagten Test gelernt“ sowieso nicht! Bin ich blöd oder was?

 

Michi: Und für einen ANGESAGTEN Test auch nur am Tag vorher, hähä!

 

Kris: Streber!

 

Steff (liest weiter): „gelingt es dem Lehrer durch kreative Korrektur und Bewertung trotzdem den Notenschnitt so zu heben, dass mindestens eine 3 vor dem Komma steht.“ Stimmt nicht.

 

Franzi: Wieso nicht? Wir hatten doch noch nie eine Ex oder eine Schulaufgabe schlechter als vier komma null, oder?

 

Kris: Aber da kann der Lehrer doch nichts dafür.

 

Michi: Eben. Der hat doch nur Schiss, dass er Druck von oben kriegt. Dafür hat er doch keine gute Note verdient. Also ich geb ne 5.

 

(Kris und Steff murmeln Zustimmung)

 

Franzi (liest vor) : „13. Droht das Nichterreichen des Klassenziels, -“

 

Kris (unterbricht) : Hä? Check ich nicht. Was soll das denn heißen?

 

Franzi (leicht genervt): Du checkst ja heute alles wieder voll! Dass du durchfällst halt! Also

(liest vor) : „13. Droht das Nichterreichen des Klassenziels, verteilt der Lehrer schnell noch einige Referatsthemen, damit sich die gefährdeten Schüler in den Problemfächern durch das Vorlesen eines Wikipedia-Artikels noch auf eine 4 verbessern können.“

 

Kris: Das macht er. Aber ich geb da trotzdem ne 5, weil ich das nämlich unverschämt finde, dass ich da extra ein Referat halten soll, wo er mir doch auch einfach so eine gute Note eintragen könnte.

 

Steff: Genau.

(liest vor) „14. Der Lehrer nimmt es mit Humor, wenn die Schüler z.B. keine Übungsaufsätze abliefern oder überraschend ihr Referat nicht zum vereinbarten Zeitpunkt halten können.“

 

Michi: Wieso „überraschend“?

 

Steff: Selber schuld. Soll er halt keine Übungsaufsätze oder Referate aufgeben.

 

Kris: Eindeutig 6.

 

Franzi (liest vor) „15. Der Lehrer kennt und berücksichtigt die private Situation jedes Schülers, Klammer: Eltern, Großeltern, Geschwister, Freunde, Haustiere, Hobbies, Klammer zu.“

Nicht wirklich, oder?

 

Michi: Ne, der hat wirklich keinen Schimmer. Letzthin fragte er mich doch tatsächlich, ob ich Sechziger-Fan bin, als ich mit meinem Löwen-Schal daher kam. Dabei weiß das doch wirklich ein jeder.

(entrüstet) Hat der vielleicht geglaubt, dass ich ein Bayern-Fan bin? Also wirklich! 6!

 

Steff (bestätigend): Irre. Letzte Frage.

 

Kris: Ein Glück! Das strengt ganz schön an.

 

Steff (liest vor): „16. Der Lehrer kennt die Geburtsdaten seiner Schüler und bedenkt jeden an seinem Ehrentag mit einem ganz individuellen Präsent.“

 

Kris: Hä? Was meinen die damit?

 

Franzi: Mann! Ob er ein Geschenk hat halt. Also ich hab noch nie was gekriegt.

 

Michi (sinnend): Find ich schon schad. Es müsste ja nichts Großes oder Teures sein. Vielleicht einfach nur eine selber gebrannte CD oder so...

 

Steff: Ne danke, da kann ich drauf verzichten. Oder willst du wirklich eine CD mit Musik aus dem Mutantenstadel oder so?

 

Kris (schüttelt sich): Brrr. 6!

 

Michi: Ne, jetzt wirklich mal. Wär schon nett, oder, wenn die Lehrer einfach ein bisschen menschlicher wären und sich kümmern würden. Da habe ich früher gar nicht so richtig drüber nachgedacht.

 

Kris: Die sollen mir bloß von der Wäsche bleiben, du!

 

Steff: Quatsch. Aber Michi hat schon recht. Man merkt durch diese Umfrage eigentlich erst, was die Lehrer eigentlich leisten sollten und was sie aber alles doch falsch machen.

 

Michi (zustimmend): Genau. Vielleicht ist die Umfrage doch gar nicht so schlecht und die Lehrer sehen jetzt doch ein paar Sachen ein. Vielleicht reißen sie sich dann wenigstens doch ab und zu ein bisschen am Riemen, wenn sie ihre Noten sehen.

 

Steff: Das trau ich denen nicht zu. Aber eines muss ich jedenfalls sagen: Ich find's einfach toll, dass die Klassensprecher so einen Fragebogen gemacht haben, der  -

 

Franzi (unterbricht) : Wir Klassensprecher waren's nicht. Das waren -

 

Steff (unterbricht) : Dann waren's halt die drei SCHÜLERsprecher, ist ja egal. Jedenfalls ist es super, dass die SMV so einen Fragebogen gemacht hat und die Lehrer damit unter Druck setzt.

 

Franzi: Langsam: Das waren auch nicht die Schülersprecher. Der Fragebogen stammt doch von den Lehrern selber!

 

Steff, Michi und Kris (zusammen, ungläubig den Kopf schüttelnd): Von den Lehrern? Hä? Check ich nicht.