ERZIEHERISCH WIRKSAM

 

 

 

1. [Lehrer L und ein Mitarbeiter der Schulleitung M (mit einem Heiligenschein) gehen über die Bühne]

 

M: Wie hat denn die Sabine aus der 8a in der Nachprüfung bei Ihnen abgeschnitten?

 

L: In Englisch hat sie eine 5. Die hat aber ja auch in den Sommerferien keinen Strich getan.

 

M (schaut schockiert): O je, o je!

 

L: Die 5 fällt aber nicht ins Gewicht, denn in Latein hat sie eh eine 6.

 

M (schüttelt bedauernd den Kopf): Das arme Kind. Was können wir denn jetzt da machen? O je...

 

  

 

2. [Lehrer L und ein Mitarbeiter der Schulleitung M (mit zwei Heiligenscheinen) gehen über die Bühne]

 

L: Der Mirko hat schon wieder seine Hausaufgaben nicht gemacht. Zwei Mitteilungen habe ich ihm schon heim geschickt, jetzt kriegt er eine Nacharbeit verpasst.

 

M (seufzt): Der arme Kerl! Was mit dem wohl los ist? Haben Sie mit dem auch noch einmal geredet?

 

L: Ich weiß auch so genau, was mit dem los ist. Total wepsig und stinkfaul ist er halt. Um den dazu zu bringen, fünf Minuten still zu sitzen und seine Hausaufgaben zu machen, müssen Sie ihn schon auf dem Stuhl fest tackern.

 

M: Mei. Hoffentlich sind seine Eltern da jetzt nicht zu streng mit dem Buben.

 

 

 

3. [Lehrer L und ein Mitarbeiter der Schulleitung M (mit drei Heiligenscheinen) gehen über die Bühne]

 

L: Jetzt hat mir die Alina in der 11b in der Deutsch-Schulaufgabe doch glatt nach der Hälfte der Arbeitszeit ihren Aufsatz aufs Pult geschmissen und ist hinaus gestürmt!

 

M (mitfühlend): Mei. Ging's ihr schlecht, oder?

 

L: Sie hat bloß gesagt: „Ich kann nicht mehr. Mir reicht's jetzt“. Aber der wird es erst richtig schlecht gehen, wenn sie ihren Sechser herauskriegt!

 

M: Nein nein, das können wir nicht machen. Die kriegt halt einen Nachtermin und dann packt sie es vielleicht doch noch.

 

L: Einen Nachtermin? Wenn Sie doch eine schriftliche Prüfung bereits angefangen hatte und dann einfach abgebrochen hat? Da kann sie doch keine zweite Chance erhalten, nur weil ihr vielleicht die Themen nicht zugesagt haben!

 

M: Das müssen wir schon tun. Damit kommen wir ansonsten nie durch. Kein Gericht der Welt wird uns da Recht geben.

  

 

 

4. [Lehrer L und ein Mitarbeite der Schulleitung M (mit vier Heiligenscheinen) gehen über die Bühne]

 

L: Seit Wochen vertröstet mich die Franziska aus der K12 wegen dem Attest für den Tag, an dem sie die Schulaufgabe verpasst hat. Mal ist es angeblich in meinem Fach, mal in dem des Kollegstufenbetreuers, dann hat sie es angeblich einem anderen Kursleiter gezeigt und findet es jetzt nicht mehr, dann will sie es wiederum einem ihr angeblich unbekannten Lehrer in die Hand gedrückt haben, damit der es in mein Fach legt, wo es natürlich nie aufgetaucht ist, dann soll es angeblich im Sekretariat sein, usw., usw.!

 

M: Das ist natürlich gut möglich, dass das Attest im Sekretariat verschlampt worden ist. Da halten wir uns jetzt mal lieber mir Anschuldigungen gegen die Schülerin zurück. Das könnte peinlich enden.

 

L: Sie glauben dieser Schülerin also eher als mir oder dem Sekretariat?

 

M : Das ist doch ein nettes Mädchen. Die sieht doch ganz harmlos aus. So was traue ich ihr einfach nicht zu.

 

L (sarkastisch): Na, ob das juristisch haltbar ist, wenn Sie da nach dem Aussehen entscheiden, wie ein Schüler oder eine Schülerin zu behandeln ist?

 

M: Ach, das hat sie einfach nicht überrissen, das kann schon mal passieren. Ich rede ganz einfach noch mal mit ihr. Ich bin sicher, da finden wir schon noch eine Lösung. Wir wollen doch niemandem die Zukunft verbauen, oder?

 

L: Jedenfalls kriegt die von mir jetzt null Punkte verpasst. Das ist doch auch von der Schulordnung gedeckt. Und die befolge ich, schon aus pädagogischen Gründen und aus Rücksicht auf die anderen Schüler. Ich finde, da sollte die Schulleitung auch einmal Rückgrat zeigen und konsequent durchgreifen!

 

M (abwehrend): Was heißt schon „Schulordnung“ oder „pädagogisch“ oder "konsequent"? Juristisch sieht das vielleicht ganz anders aus. Da lassen wir mal lieber die Finger davon.

 

 

 

5. [Lehrer L und ein Mitarbeiter der Schulleitung M (mit einem ganzen Kranz von Heiligenscheinen) gehen über die Bühne]

 

L: Dieser Kevin hat es jetzt aber endgültig zu weit getrieben. Es wird Zeit, dass da die Schulleitung mal durchgreift und ihm mal wenigstens einen verschärften Verweis verpasst.

 

M: Ach ja, der arme Kevin. Dabei ist der doch eigentlich gar nicht verkehrt.

 

L: So? Ins Klo eine Stinkbombe zu werfen ist aber doch etwas heftig, oder?

 

M: Ein Dummerjungenstreich halt...

 

L (zunehmend entgeistert): Den Füller seines Banknachbarn zu zerbrechen auch?

 

M: Ach wissen Sie, vielleicht war's ja auch nur ein Missgeschick.

 

L: Und dass er seinen Klassenkameraden dann mit der Tinte beschmiert hat?

 

M: Ach, er wird halt gedacht haben, dass Tinte wasserlöslich ist und beim Waschen rausgeht. Und da hat er ja natürlich auch nicht ganz Unrecht.

 

M: Ist er vielleicht auch im Recht, wenn er seine Mitschüler alle als Arschlöcher beschimpft?

 

M: Na ja, er ist halt ein etwas impulsiver Typ.

 

L (sarkastisch): Das kann sein Klassenkamerad Martin bezeugen. Dem hat er ja so einen Schwinger verpasst, dass der ein paar Minuten nicht mehr aufstehen konnte.

 

M: Das war aber natürlich im Affekt. Er soll ja vorher schon etwas provoziert worden sein. Und zu den Lehrern ist er doch immer ganz höflich, oder? Das muss man ja auch mal sehen und nicht immer nur das Negative suchen.

 

L: Da brauche ich nicht lang suchen. So positiv ist das Video auf YouTube, in dem er die Lehrer nach Strich und Faden verarscht, z.B. nämlich nicht!

 

M (lacht): Das hat er aber doch ganz witzig gemacht, oder? Der hat schon was auf dem Kasten, der Kevin. Da haben die Lehrer halt versäumt, ihn vor den Gefahren im Umgang mit dem Internet zu warnen, meine ich. Die Konsequenzen waren ihm sicher nicht bewusst und da hat er sich dann verrannt. Ach, das darf man alles nicht so ernst nehmen. Wir waren doch auch einmal jung.

 

L: So sehen Sie das also? Rein juristisch gesehen hat er sich aber einer Straftat schuldig gemacht!

 

M: Na ja, wir sind ja Pädagogen und keine Juristen!

 

L (perplex): Auf einmal? Wollen Sie es vielleicht auch noch aus pädagogischen Gründen gutheißen, dass er eine Mitschülerin aus dem Fenster geschubst hat?

 

M: Aber nur aus dem Erdgeschoss! Außerdem hatten Sie ihm das offensichtlich nicht eindeutig untersagt. Oder hatten Sie ihn ausdrücklich vor diesem Verhalten gewarnt?

 

L: Kaum anzunehmen andererseits, dass das ein Arbeitsauftrag von mir gewesen sein könnte, oder? Ich bin nur kurz in den Kopierraum gegangen, weil ich offenbar zwei Arbeitsblätter zu wenig gemacht hatte, und als ich zurückkomme, liegt das Mädchen draußen vor dem Fenster und heult!

 

M (entrüstet): Was? Sie haben das Klassenzimmer während des Unterrichts verlassen und die Klasse unbeaufsichtigt gelassen?

 

L (verunsichert): Nur zwei Minuten, ich wollte ja auch nur...

 

M (entsetzt): Damit haben Sie sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht, lieber Kollege, das muss Ihnen doch klar sein! Das wird schwerste dienstrechtliche Folgen nach sich ziehen, die ich jetzt gar nicht überblicken kann. In Ihrer Haut möchte ich jetzt jedenfalls nicht stecken. Mein lieber Mann! Und so was lässt man auf die armen Kinder los. Kein Wunder, wenn es in Ihren Klassen drunter und drüber geht!